Arbeitsmoral

anjaxxo

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Ich haette da mal eine Frage an die schon Ausgewanderten.
Macht ihr eigentlich auch die Erfahrung, dass die Arbeitnehmer hier kommen und gehen und die langen Arbeitsverhaeltnisse fast eher die Ausnahme sind?

Bei uns ist das ganz furchtbar. Die Angestellten kommen einfach mal nicht zur Arbeit, rufen nicht an, sagen nicht Bescheid. Tauchen wieder auf, finden das alles normal.
Manchmal sind sie auch von heute auf morgen ganz weg und werden nie mehr gesehen. Es wird andauernd krankgefeiert, ich mein, ich hab ja in der Personalabteilung meiner Klinik auf Borkum schon viel erlebt, aber hier ist ein reges Kommen und Gehen.

Dabei ist es wirklich nicht schlecht hier zu arbeiten. Ich mein, ja, in packaging und production ist es ganz schoen kalt, aber eigentlich haben wir hier ein ganz gutes Betriebsklima und unsere Chefs sind nett, natuerlich nicht immer, es gibt auch doofe Tage, aber wo gibt es das nicht?

Mir kommt es so vor, als wenn das hire und fire System, das es hier gibt und auch, dass fuer Fehlen nicht bezahlt wird (jedenfalls in den ersten drei Monaten) dazu fuehrt, dass die Leute denken, dass sie sich vielleicht einen freien Tag in der Woche mal leisten koennen und dann einfach nicht kommen. Sie werden ja dann auch nicht bezahlt, also alles gut.
Und weil man jederzeit fristlos auf die Strasse gesetzt werden kann, kann man auch selbst einfach so gehen, ohne notice, ohne irgendeine Nachricht. :hmm
 

Frogsta

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....Willkommen in America....

Anja, das ist voellig normal. Anders waere es wenn der Paycheck nicht woechendlich sondern monatlich kommen wuerde.
Amerikaner leben heute und jetzt. Ich habe es erlebt das Mitarbeiter nach drei Jahren Arbeitslosungkeit gleich nach dem ersten paycheck ein neues Auto gekauft haben. Ohne ueberhaupt zu wissen ob sie in drei Wochen hier noch arbeiten.

Aber das krasseste Beispiel ist das Warehouse unseres Kunden hier in York. 1o.ooo Mitarbeiter in 1o Jahren.
In ganz South Central PA finden die keine Leute mehr. ...........

Aber, ich denke das dieses nur auf "Jobs" zutrifft die keine speziellen Skills oder Degrees voraussetzen. Quasi "Low Level Jobs"....
 
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anjaxxo

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Ja, das habe ich mir gedacht.
Hier bist du schon ein guter Arbeitnehmer, wenn du immer zur Arbeit erscheinst und auch noch puenktlich bist. Das ist eher die Regel als die Ausnahme.
Bei uns sind im Schnitt 20 Leute beschaeftigt, mal 22 oder 23 mal nur 18.
Und ich glaube, meine Chefin hat letztens gesagt, dass wir schon bei mehr als 150 Personalnummern sind in 7 Jahren. Das sind 20 Leute pro Jahr, die entlassen werden oder selbst gehen.
Wir haben einen Mitarbeiter, der war schon von Anfang an da, aber der ist auch nicht Amerikaner, sondern Aethopier, einen Mitarbeiter, der 5 Jahre da ist, einer ist 3 Jahre da. Meine Kollegin und ich sind ungefaehr 2,5 Jahre hier. Neu eingestellt haben wir gerade 3, alle anderen sind vielleicht ein Jahr hier.

Am schlimmsten ist unsere custodian Stelle, obwohl die wirklich eine angenehme Arbeit ist, Kaffee kochen, Bueros saubermachen, Waesche waschen und falten, Boden wischen, Toiletten putzen (wobei das hier echt nicht sooo schlimm ist, hier arbeiten scheinbar keine Schweine :kicher), production und packaging putzen ihre Raeume selbst (ist also kein eklig Blut wegputzen oder so). Und ab und zu muss die Person Boxen falten und tapen. Das alles auch noch eingermassen gut bezahlt, 9 Dollar am Anfang und 10 Dollar nach einem halben Jahr und hier kriegt fast jeder jaehrlich eine Erhoehung. Zeiteinteilung darf alleine gemacht werden, zu stressig ist es auch nicht, man hat viel Zeit fuer die Arbeit.
Und trotzdem. Das ist jetzt schon die 6. Putzkraft in etwas weniger als einem Jahr. :hmm
 

middlestreet

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Aber, ich denke das dieses nur auf "Jobs" zutrifft die keine speziellen Skills oder Degrees voraussetzen. Quasi "Low Level Jobs"....

Dem kann ich zustimmen. Wir arbeiten in unserem Forschungsprojekt (quasi high-skill) mit Teams in verschiedenen Ländern zusammen. Die Amerikaner sind dabei meist schon jahrelang beim gleichen Unternehmen beschäftigt. In Deutschland wäre das undenkbar. Die meisten in der Forschung haben in Deutschland befristete Stellen und bewerben sich weiter, bevor die Stelle ausläuft, was echt schade ist. Die Arbeitsmoral ist dabei auf beiden Seiten unglaublich hoch, mit Überstunden und Telefonkonferenzen zu (durch die Zeitverschiebung) unmöglichen Zeiten.

Bei meinem Praktikum in Philly damals (in Inside Sales) gab es hingegen wahnsinnig viel Fluktuation.
 

ItsJustMe1977

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Ja...kenn ich auch so. Ich arbeite ja in einem der unterbezahlten Jobs. Die Firma hat händeringend jemanden gesucht, der fuer eine bestimmte Person arbeiten könnte (bei mir klappte das wegen der Kinder nicht)
Viele haben einmal probegearbeitet und kamen nie wieder (ohne Bescheid sagen) andere haben 1 Woche ausgehalten und sind danach auch nie wieder gekommen ohne Bescheid zu sagen....fand ich ganz schrecklich!
Die gute Frau mit der man arbeiten sollte dachte natürlich das es an ihr lag....dabei war die supernett!!
Das ende vom Lied war, das man der Patientin gekündigt hat, weil man keinen fand der mit/fuer sie arbeiten wollte/konnte.
Wenn man den Job nicht mag oder nicht will....ok, aber man kann es wenigstens sagen.
Viele riefen auch erst an um sich krank zu melden, wenn sie schon am arbeitsplatz hätten sein müssen. Das geht vllt in einem Bürojob, wo man mit 10 anderen zusammen arbeitet aber doch nicht in der Pflege!!
Und wie lahmarschig hier teilweise gearbeitet wird....in D hab ich in der Frühschicht gearbeitet und habe zwischen 6 Uhr und 10 Uhr morgens 10 Patienten gehabt. Gut, 1 war nur Kompressionsstrümpfe anziehen und eine war nur Tabletten geben, aber die anderen waren Pflege mit duschen/waschen, anziehen usw.
Hier habe ich 2 1/2 Stunden Zeit für eine Patientin!! In D wuerde man mir vllt 45 min fuer diese Patientin zugestehen!
es ist ja nicht schlimm, wenn man etwas mehr Zeit für die Patienten hat, ist sogar Recht schön, aber das ist einfach zu viel!! Man kommt fast um vor langeweile weil man so langsam arbeiten muss.
Ich find das arbeiten hier nicht so tolle....
 

middlestreet

Well-Known Member
Hier habe ich 2 1/2 Stunden Zeit für eine Patientin!! In D wuerde man mir vllt 45 min fuer diese Patientin zugestehen!
es ist ja nicht schlimm, wenn man etwas mehr Zeit für die Patienten hat, ist sogar Recht schön, aber das ist einfach zu viel!! Man kommt fast um vor langeweile weil man so langsam arbeiten muss.
Ich find das arbeiten hier nicht so tolle....

In Deutschland wird ja immer bemängelt, dass zu wenig Zeit pro Patient eingeplant ist. Läuft das in den USA besser? D.h., ich sollte mich einfach schon mal auf meinen Altersruhesitz im sonnigen Florida freuen, wo ich dann gut rundum umsorgt werde? :)

Das mit dem Nichtbescheidsagen kenne ich aus meinem Praktikum. Eine Kollegin hatte mal ein kaputtes Auto. Anstatt alles dranzusetzen, doch irgendwie ins Büro zu kommen, musste sie unbedingt ewig weit weg zu einem ganz bestimmten Autoreparateur in New Jersey fahren, wo sie dann nicht mehr wegkam. Das hat sie alles erst auf Nachfrage erzählt, nicht etwa in Eigeninitiative, um uns mitzuteilen, dass sie nicht kommt. Dass der Chef dann sauer war, hat sich nicht verstanden: "Das Auto musste doch repariert werden!"

Im Gegensatz dazu ist bei meinem letzten Arbeitgeber hier in Deutschland einfach einer mal nicht wiedergekommen, ohne Bescheid zu sagen. Die waren so überfordert damit, dass der erstmal 3 Monate weiterbezahlt wurde. Kam eben noch nie vor, deswegen wusste niemand, was man tun soll. Auch irgendwie unglaublich.
 

Ace

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Aber, ich denke das dieses nur auf "Jobs" zutrifft die keine speziellen Skills oder Degrees voraussetzen. Quasi "Low Level Jobs"....

This. Viele von den Mindestlohn-Jobs sind einfach entry-level und man bewirbt sich in der Regel munter weiter, bis man was adäquates gefunden hat. Das ist gerade bei der derzeit noch immer vorliegenden Misere am Arbeitsmarkt der Fall. Viele Freunde von mir arbeiten ebenfalls auf minimum wage oder knapp darüber, einfach damit sie erstmal was haben. Sobald sie aber einen Job finden, der ihren Qualifikationen entspricht, sind sie weg.
 

Frogsta

Active Member
Ace,
das sind keine Mindestlohn Jobs bei uns. Die Fangen bei 13$/h an und nach der Einarbeitung koennen die Jungs bis zu 7o.ooo$ im Jahr machen. Die meisten sind auch keine Berufsanfaenger....... Das Durchschnittsalter wuerde ich bei 27 bis 3o Jahre schaetzen.

Zur Zeit gibt es 16 Neiueinstellungen die Woche, so hoch ist die Fluktuation...... weniger als 20% sind nach einem Jahr noch da.....

Das ist wie im 18. Jahrhundert in England, nur das keine Kinderarbeit erlaubt ist.
 

Ezri

Adminchen
Administrator
Ist so eine Fluktation nicht eigentlich wirtschaftsschädigend? Ich mein, so kann eine Firma ja nicht wirklich effizient arbeiten. Vielleicht sind Arbeitsverträge mit einer geregelten Kündigungsfrist doch nicht sooo schlecht :)
 

ItsJustMe1977

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Citizen
Ich will jetzt mal Partei fuer die Arbeitnehmer ergreifen, auch wenn ich das Verhalten nicht gut finde, so kann ich es doch gut verstehen.
Wer will sich denn schon fuer eine Firma den Arsch aufreissen, die nur minimum wage bezahlt, die einen unter Druck setzt zur Arbeit zu kommen, selbst wenn man krank ist und einem droht jemanden zu entlassen wenn er weiterhin krank ist/wird??
Ausserdem sind manche Jobs das gar nicht wert!
ich bin es von D gewohnt, das ich zum Arbeitgeber fahre, dort mein Auto parke und mit dem Firmenwagen die Patienten "abfahre".....hier muss ich mein eigenes Auto, den eigenen Sprit benutzen um zu den Patienten zu kommen!!
Wenn man das dann gegeneinander ausrechnet, dann arbeitet man fuer 6$ die Stunde!!
Da kann ich die Leute verstehen wenn die sich denken "Nach mir die Sinnflut"!
 
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